
Warum ständiges Aufschieben so viele Studierende ausbremst – und wie du die Kontrolle zurückgewinnst
„Ich mach das morgen.“ Ein Satz, den viele Studierende fast täglich denken – oft ohne sich der Folgen bewusst zu sein. Was zunächst harmlos erscheint, entwickelt sich bei vielen zu einer belastenden Routine: Aufgaben werden aufgeschoben, Termine rücken näher, der Druck steigt. Die Psychologie spricht in diesem Zusammenhang von Prokrastination – im Studienalltag ist eher die Rede von Aufschieberitis. Gemeint ist das wiederholte Verschieben wichtiger Tätigkeiten – trotz besseren Wissens und drohender Konsequenzen.
Was genau ist Aufschieberitis im Studium?
Aufschieberitis im Studium beschreibt ein Verhalten, bei dem man Aufgaben absichtlich hinauszögert – obwohl sie wichtig, dringlich oder persönlich bedeutsam sind. Es geht dabei nicht um Faulheit oder fehlenden Fleiß, sondern oft um innere Blockaden, Ängste oder Selbstzweifel.
Der Psychologe Klingsieck (2013) bringt es auf den Punkt:
„Prokrastination ist das absichtliche Verschieben einer geplanten, notwendigen oder persönlich relevanten Aufgabe – obwohl man mit negativen Folgen rechnet, die schwerer wiegen als der kurzfristige Nutzen des Aufschiebens.“
Gerade im Studium ist dieses Verhalten weit verbreitet. Viele Betroffene wissen genau, was zu tun wäre – und tun es dennoch nicht. So entsteht die Spirale der Aufschieberitis im Studium.
Typische Anzeichen: Woran erkennst du Aufschieberitis im Studium?
Wenn dir einige der folgenden Aussagen vertraut vorkommen, ist es möglich, dass du selbst von Aufschieberitis im Studium betroffen bist:
- Du beginnst mit Aufgaben oft erst auf den letzten Drücker.
- Du lässt dich beim Lernen leicht ablenken – z. B. durch Social Media oder dein Handy.
- Du meidest unangenehme Aufgaben, obwohl du weißt, dass sie erledigt werden müssen.
- Du arbeitest häufig unter Zeitdruck, weil du zu spät anfängst.
- Du denkst, du brauchst den Stress, um produktiv zu sein – obwohl dich der Druck belastet.
Ein ehrlicher Blick auf das eigene Verhalten hilft, erste Muster zu erkennen und Wege aus der Aufschieberitis im Studium zu finden.
Wann ist es keine Aufschieberitis im Studium?
Nicht jedes spätere Erledigen ist automatisch problematisch. Es gibt viele nachvollziehbare Gründe, warum Aufgaben einmal warten müssen – das gehört zum Leben dazu. Keine Aufschieberitis im Studium liegt vor, wenn du…
| … durch äußere Umstände gebremst wirst | z. B. Krankheit, technische Probleme |
| … bewusst Zeit einplanst, um besser zu starten | z. B. Recherche vor Schreibbeginn |
| … deine Prioritäten gezielt setzt | z. B. erst mündliche Prüfung, dann Hausarbeit |
| … kreative Pausen nutzt | z. B. Ideen sammeln statt hektisch losschreiben |
Problematisch wird es, wenn du ohne nachvollziehbaren Grund aufschiebst – obwohl du Zeit, Wissen und Gelegenheit hättest. Dann spricht man von Aufschieberitis im Studium.
Was verursacht Aufschieberitis im Studium?
Aufschieberitis im Studium entsteht meist nicht aus Bequemlichkeit. Vielmehr steckt eine Kombination aus emotionalen, kognitiven und manchmal auch biologischen Einflüssen dahinter:
- Versagensängste oder Selbstzweifel blockieren den Einstieg.
- Schwierigkeiten mit Selbststeuerung führen dazu, dass du dich leicht ablenken lässt.
- Perfektionismus verhindert den Anfang, weil du nichts „Halbfertiges“ zulassen willst.
- Kurzfristige Reize wie das Smartphone verdrängen langfristige Ziele wie Prüfungserfolg.
- Persönlichkeitsfaktoren wie geringe Gewissenhaftigkeit oder hohe Impulsivität spielen eine Rolle.
- Selbsttäuschung („Ich funktioniere unter Druck besser“) hält dich im alten Muster.
- Neurobiologische Faktoren beeinflussen, wie gut du Emotionen regulieren und handeln kannst.
Diese Mechanismen verstärken sich oft gegenseitig – und machen Aufschieberitis im Studium zu einem hartnäckigen Begleiter.
Was passiert im Gehirn bei Aufschieberitis im Studium?
Neurowissenschaftliche Studien zeigen: Prokrastination ist auch im Gehirn messbar. Bei Menschen mit Aufschieberitis im Studium sind bestimmte Regionen anders aktiv:
- Die Amygdala, zuständig für emotionale Reaktionen, ist häufig überempfindlich gegenüber Stress.
- Der dorsale ACC, zuständig für zielgerichtetes Handeln, ist unteraktiv.
- Die Verbindung zwischen beiden Regionen ist geschwächt – emotionale Impulse überlagern die kognitive Kontrolle.
Das Gehirn reagiert auf potenzielle Misserfolge wie auf reale Bedrohungen – und blockiert dadurch die Handlung. Aufschieberitis im Studium ist deshalb kein reines Willensproblem, sondern oft ein Ergebnis biologischer Schutzmechanismen.
Ist Aufschieberitis im Studium eine psychische Störung?
Aufschieberitis im Studium ist derzeit keine offiziell anerkannte psychische Erkrankung – sie erscheint weder im ICD noch im DSM. Dennoch kann sie ein ernstzunehmendes Symptom sein, etwa bei Depressionen, Prüfungsangst oder ADHS.
Selbst wenn keine Diagnose vorliegt: Wenn das Aufschieben dauerhaft zu Frust, Stress oder Leistungsdruck führt, solltest du aktiv werden – denn Aufschieberitis im Studium ist veränderbar.
Gesundheitliche Folgen: Wenn Aufschieberitis im Studium den Alltag bestimmt
Langanhaltende Aufschieberitis im Studium kann sich deutlich auf das persönliche Wohlbefinden auswirken. Studien zeigen einen Zusammenhang mit:
- chronischem Stress und Erschöpfung
- vermindertem Selbstwertgefühl
- erhöhtem Risiko für Ängste und depressive Episoden
- gesundheitsschädlichem Verhalten (z. B. schlechte Ernährung, wenig Bewegung, Suchtmittel)
Je früher du beginnst, gegenzusteuern, desto leichter kannst du diese Auswirkungen verhindern – und die Aufschieberitis im Studium in den Griff bekommen.
Was hilft gegen Aufschieberitis im Studium?
Die gute Nachricht: Aufschieberitis im Studium lässt sich bewältigen – mit einem Mix aus Strategien, Selbstreflexion und etwas Geduld:
- Finde den Sinn in deinen Aufgaben – persönliche Relevanz erhöht die Motivation.
- Teile große Aufgaben in kleine Schritte – so wird der Einstieg leichter.
- Formuliere klar und konkret: „Einleitung schreiben bis 15 Uhr“ ist hilfreicher als „Hausarbeit schreiben“.
- Belohne dich für Fortschritte, auch kleine – das macht dranbleiben attraktiver.
- Nutze Wenn-dann-Pläne: z. B. „Wenn ich Kaffee getrunken habe, lese ich 30 Minuten Literatur.“
- Hol dir Unterstützung – bei Lehrenden, Mitstudierenden oder in Beratungsangeboten.
Diese Ansätze helfen dir, Verbindlichkeit aufzubauen und Aufschieberitis im Studium nachhaltig zu überwinden.
Wenn du den Eindruck hast, dass Aufschieberitis im Studium dich zunehmend einschränkt, zögere nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Beratungsstellen an Hochschulen, psychologische Online-Angebote oder einfache Tools zur Selbstorganisation können der erste Schritt raus aus dem Aufschieben sein – und rein in ein gelasseneres Studium.
Quellen
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